Birte Werner im Gespräch mit KLUB KIRSCHROT

Mich interessieren Formate, die alle beteiligen und auf Augenhöhe stattfinden; die alle Anwesenden als Experte und Expertin involvieren. (Birte Werner)

In diesem Jahr moderiert Birte Werner die Inszenierungsgespräche bei WESTWIND. Birte ist von Haus aus Dramaturgin und seit 2012 Programmleiterin Darstellende Künste der Bundesakademie Wolfenbüttel.

KK: Liebe Birte, schön, dass du bei WESTWIND 2016 dabei bist. Du arbeitest derzeit an der Bundesakademie; wie ist es dazu gekommen?

Birte: Ich wollte seit meinem Schulpraktikum Dramaturgin werden. Und weil der Tipp der Kolleg*innen im Beruf damals lautete: ‚Studiere eine Sprache und ein Fach, in dem man lernt, genau zu beschreiben, was man sieht‘ habe ich Germanistik und Kunstgeschichte in Göttingen studiert. Da am Studierendentheater im OP (ThOP) mitgearbeitet, unterrichtet, viele Semesterferien mit Praktika in diversen Theatern verbracht, im Ausland studiert, zwei Jahre an der FU Berlin unterrichtet, promoviert – um dann als Dramaturgin nach Konstanz zu gehen. Nach ein paar Spielzeiten im Stadttheater am Bodensee, in Heilbronn und der Arbeit in einer Freien Gruppe habe ich mich nach neuen, anderen Herausforderungen umgesehen – und die Programmleitung Theater an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel war just ausgeschrieben.

KK: Unsere Klubmitglieder waren schön öfters in der Bundesakademie zu Gast, um sich neuen Input zu holen. Was macht deine Arbeit dort für dich reizvoll? Was motiviert dich?

Birte: An der Bundesakademie in Wolfenbüttel zu arbeiten bedeutet, laufend eine intensive doppelte Bewegung zu verursachen: Ich bewege mich dort laufend weg, um Festivals und Konferenzen zu besuchen oder dafür zu arbeiten, Künstler_innen und andere Kolleg_innen zu treffen usw., um dann ein inspirierendes Programm gestalten zu können, das andere nach Wolfenbüttel bewegt.

KK: Wir leben zurzeit alle in großen Städten und haben uns die Frage gestellt, wie es ist, in einem Dorf wie Wolfenbüttel zu leben und zu arbeiten. Woher kommen die neuen Gedanken? Gibt es ausreichend Konfliktpotential oder wird man schnell bequem?

Birte: Sicher wäre es logistisch einfacher, beruflich in einer Stadt wie Berlin oder Hamburg beheimatet zu sein. Aber auch von da aus würde man ja – wie jemand, der ein großes bundesweites Festival kuratiert – reisen, um einen möglichst guten Überblick zu gewinnen und auf neue Ideen, Fragen und Gedanken zu kommen. Oder – auch sehr spannend – auf Probleme aufmerksam gemacht zu werden. Ich langweile mich einfach viel zu schnell, um hier bequem zu werden. Besonders reizvoll an der Arbeit an der Bundesakademie ist eine relativ große Freiheit bei der Festlegung der Themen, mit denen wir uns beschäftigen wollen. Und eine sehr große Freiheit bei der Gestaltung und Planung von Veranstaltungen dazu. Und wer hat schon einen 13km langen, idyllischen Radweg zur Arbeit einen Fluss entlang, auf dem man nur auf Enten und Hundebesitzer achten muss, und ansonsten in Ruhe beim Radeln Ideen entwickeln kann?

KK: Du sprichst von „Freiheit bei der Festlegung der Themen“. Wie ist das in der Vorbereitung auf WESWIND? Wie viel Freiheit hast du? Was kannst du uns schon verraten?

Birte: Das Consol-Theater hat mich vor mehreren Monaten für die Moderation angefragt. Ich habe mich sehr gefreut und zugesagt unter der Bedingung, dass ich etwas grundsätzlich anderes entwickeln darf als das, was bisher bei WESTWIND wohl üblich war. Ich war in einem WESTWIND-Jahr in der Festivaljury dabei – und die darf ja nicht an den Fachgesprächen teilnehmen, so dass ich diese Gespräche nur vom Erzählen kenne. Grundsätzlich interessiert mich das Format ‚moderiertes Fachgespräch mit Großgruppe‘ wenig, weil meine Erfahrung ist, dass in solchen Runden wenige und oft immer dieselben das Gespräch bestreiten. Und es eben auch bestimmen. Mich interessieren Formate, die alle beteiligen und auf Augenhöhe stattfinden; die alle Anwesenden als Experte und Expertin involvieren. Das habe ich den Veranstalter*innen gesagt – und das korrespondierte ihren Wünschen.

Wir haben und dann getroffen, besprochen, geskypt und telefoniert – daraus sind drei ganz unterschiedliche Formate entstanden. Ich bin gespannt und freue mich sehr auf die Plattformen mit den Kolleginnen und Kollegen! Die drei Veranstaltungen sind komplett unterschiedlich, ziemlich vorbereitungsintensiv und werden – toi toi toi – eine interessante, feine Sache werden. Ich kann so viel verraten: Meine Arbeit ist fast getan, wenn das Gespräch beginnt – dann entern diejenigen die Plattform, für die wir sie erfunden haben.«

KK: Die Inszenierungsgespräche sind ein wichtiger Bestandteil des Festivals. In den letzten drei Jahren haben wir unterschiedliche Formate und Versuche erlebt – warum braucht es eine bestimmte Form und eine Moderation von außen um miteinander ins Gespräch zu kommen?

Birte: Um miteinander über Theater zu sprechen braucht es grundsätzlich keine Moderation und keine Form. Das kann ich ja immer auf dem Festival in informeller Form tun – und das tun wir ja auch alle. Das ist einer der Gründe, weshalb wir hinfahren, oder? Aber um mal unter einem Aspekt ins Gespräch zu kommen, den man selbst nicht im Fokus hätte, kann ein Anstoß von außen inspirierend sein. Um etwas zu erfahren, das man noch nicht wusste oder nicht bedacht hatte. Und um Gruppen als Expert*innen aufeinander treffen zu lassen, die sich abends beim Bier vielleicht nicht an denselben Stehtisch gestellt und ein Gespräch begonnen hätten. Eine Form von außen sorgt auch dafür, die Form zu wahren.

KLUB KIRSCHROT
KLUB KIRSCHROT entwickeln in kollektiven Arbeitsprozessen Theaterstücke für ein junges Publikum. Das WESTWIND 2017 dokumentiert KLUB KIRSCHROT als WESTWIND-Blog Team bestehend aus Rosi Böhm, Kristin Grün, Sarah Kramer und Matthias Linnemann.

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