Die Jugendjury unter der Lupe

Zum „Westwind-Festival“ 2016 kommen Zuschauer aus verschiedenen Theaterbereichen. Regisseure, Dramaturgen, Schauspieler, Theaterpädagogen, Studierende und viele mehr. Es werden Meinungen und Fachdiskussionen geführt. Erwachsene kritisieren und diskutieren, was Kindern und Jugendlichen gefällt und was nicht.

Aber was denkt eigentlich das Zielpublikum?

Um die Stimme der Jugend sichtbar zu machen, wird eine Jugendjury gewählt, die das Festival begleitet, die ausgewählten Stücke diskutiert und bei der Abschlussgala am 29.04.2016 einen Preis von 1000€ an ihren Favoriten überreichen darf.

Um Teil der Jury zu werden, konnten sich Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren mit einem Motivationsschreiben bewerben.

Von allen Bewerbern wurden 7 Teilnehmer ausgewählt: Rosa Kremzow (14), Laura Celentano (14), Thilo Ratsch (15), Niclas Jahr (15), Lisa Wittkamp (14), Emil Eule (12) und Matteo Maiweg (13).

Unter der Leitung des Schauspielers Nils Beckmann schauen Sie sich gemeinsam die fünf Jugendtheaterproduktionen an. Anschließend wird diskutiert. „Wir ballern erstmal raus.“ (Nils Beckmann). Jeweils eine Stunde vor der nächsten Vorstellung steht ein weiteres Treffen an, um das Gesehene sachlich zu diskutieren.

Die fünf Stücke sind sehr unterschiedlich. Mal ist es ein modern inszenierter Klassiker („Antigone“), mal ein Stück über die Entstehung der Welt („Das unsichtbare Haus“) und eines über das Thema Magersucht („Supertrumpf“). Auch Themen wie Selbstmord, Sex („Co-Starring“), und Erwachsen werden („Tigermilch“), werden auf der Bühne behandelt.

Wir treffen die Jugendlichen nach der letzten Vorstellung, „Tigermlich“. Das Stück sorgt für geteilte Meinungen, welche nun laut und aufgeregt zum Ausdruck gebracht werden. Es scheint, als ob es besonders bei den älteren Teilnehmern der Jury für Begeisterung gesorgt hat, während bei den Jüngeren Verwirrung und Unverständnis aufkommt. „Hä, wie soll man sich denn mit 14 Alkohol kaufen?“ (Emil Eule). Intuitiv und nach Gefühl bewerten die Jugendlichen die gesehenen Theaterstücke.
Sofort wird ein Vergleich zu den bereits gesehenen Produktionen gezogen.

Was am Vortag noch für Begeisterung gesorgt hat, wird heute schon mit etwas Abstand sachlich diskutiert.

Wir haken nach: Kriterium für eine gute Inszenierung ist, dass das Publikum angesprochen wird. „Es sollte eine gute Story haben und lustig sein“ (Emil Eule). „Ach ja, und gutaussehende Männer sind auch stets gern gesehen!“ (Rosa Kremzow). Als Topic auf der Bühne ist Selbstfindung spannend, während Präventionsstücke eher nervig und blöd sind.
Und habt ihr noch ein Tipp für die Regisseure und Dramaturgen? „Mehr Liebe auf der Bühne“ wünscht sich Matteo Maiweg, während Thilo Ratsch für „mehr klassische Musik“ im Theater ist.

Nun ist es an der Zeit, sich gemeinsam für das Siegerstück zu entscheiden. Wir hören heraus, dass „Co-Starring“ aufgrund des Mutes, „Antigone“ mit ihrer starken Spielweise, sowie „Das unsichtbare Haus“ wegen der guten Dramaturgie hohe Chancen haben. Doch bis es zu einer endgültigen Entscheidung kommen wird, steht noch Einiges zur Diskussion an, was von Coach Nils Beckmann insoweit unterstützt wird, dass er gezielte Fragen stellt und Diskussionsimpulse setzt. Dabei achtet er darauf, die Jugendlichen nicht zu beeinflussen. Er hält sich zurück und lässt sie untereinander arbeiten.

Auf unsere Frage, ob sie sich vorstellen könnten, nächstes Jahr erneut in der Jury zu sitzen, lachen sie und bejahen. Neben der Möglichkeit, so viel Theater auf einmal zu sehen, gab es nämlich ab und zu auch Schulfrei und kostenlose Getränke.

Bei der Abschlussgala, umrahmt von einer Performance, übergibt die Jugendjury dann feierlich Ihren Preis an… „Co-Starring“!

Carlotta Träger & Ulrike Wolf, Studentinnen am Institut für Theaterpädagogik der Hochschule Osnabrück, Standort Lingen

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