Welche Resonanzen bzw. Dissonanzen zwischen Sprache (Art, Einsatz) und Bühnenbild (Ästhetik, Form) waren in ausgewählten Stücken erkennbar?

Einleitend möchte ich die Begründung meiner Fragestellung erläutern, und im Anschluss auf einzelne Stücke einzugehen.

Das Interesse zur Korrelation von Sprache und Bühnenbild leitet sich aus meinem eigenen Hintergrund der bildenden Kunst, Performance und Tanz ab. Hierfür ist es wichtig zu erwähnen, dass meine eigene künstlerische Performancepraxis auf die Verwendung von Sprache oder Text verzichtet. Sie agiert auf rein abstrakter Ebene und folgt keiner Narration. Diesbezüglich war es für mich von großem Interesse, im Rahmen des Westwind Festivals 2016 das Abstrakte zu suchen. Darauf traf ich teilweise im Bühnenbild, in der es in Verbindung mit Sprache, manchmal unterstützend, gegensätzlich, oder richtungsweisend wirkte.

Diesbezüglich ergab sich für mich die Fragestellung, wie die Sprache und das Bühnenbild aufeinander reagieren, agieren, wie sie sich gegenseitig unterstützen oder einander widersprechen.

Im Folgenden möchte ich nun, ausgehend von meiner Perspektive, anhand einiger, ausgewählter Stücke auf die subtile, bzw. offensichtliche Verbindung zwischen Spracheinsatz und Bühnenbild eingehen, um die unterschiedliche Wirkung, Wichtigkeit von Sprache bzw. Bühnenbild herauszukristallisieren. Ich versuche, mich lediglich auf diese zwei Parameter zu fokussieren, und andere Aspekte nicht zu erwähnen, außer wenn es darum geht, das Thema zu unterstützen.

Football on Stilletos, Kopergiertery, Gent

In Football on Stilletos eröffnet die leere, weiß gehaltene Bühne einen Raum, der Szene für Szene aufs Neue befüllt wird. Die Bühne verändert sich kontinuierlich, da sie mal als Feld für repetitive Bewegungen, als Grillecke, als Federballspielfeld, oder als Austragungsort von Generationenclashes genutzt wird. Mit relativ wenigen, aber gesetzten Mitteln und Materialien werden verschiedene Szenerien geschaffen. Dies, um letztlich in Form von sich aufbauenden, klischeeausufernden, verbalen und non-verbalen Statements, das Publikum zum Nachdenken aufzurufen.

Die Transformation der Bühne spiegelt den Einsatz der Sprache wider, die anfänglich noch eher reduziert, und zum Ende hin konkreter und direkter wird. Während zu Beginn die Bühne, die Kostüme und die Materialien das Stück anleiten, ist es zum Ende hin die Sprache, die spezifische Themen bzw. Klischees nicht nur aufgreift, sondern durch Überspitzung auch durchleuchtet. Das Bild der Bühne und der Einsatz der Sprache verändern sich parallel und zusammenhängend. Die Entwicklung der Formensprache des Bühnensettings entspricht der aufbauenden Einführung von Sprache/Wort.

Antigone, HELIOS Theater, Hamm

Antigone setzt auf die Sprache. Sie ist der Motor des Stückes. Daneben erscheint die minimale, gesetzte, formale Präsentation der Bühne zu aller erst passend, da sie der Sprache Raum zur Entfaltung gibt. Jedoch ist dieser Minimalismus auf der Bühne nicht ganz konsequent. Objekte und Bühnenelemente, wie bspw. das rechte Projektionsbanner oder die nicht benutzte Erde, sind zwar klar bewusst gesetzt, bleiben im gesamten Verlauf des Stückes jedoch unbeachtet. Vielleicht kann man das auch als Sinnbild für das

Nicht-Beachten von Worten sehen/interpretieren? Dennoch, es ist von vornherein klar, dass die Sprache das Medium der Vermittlung ist, und die Bühne als formalästhetisches Mittel zum Zweck dient.

Der Minimalismus, der durch das weiß gehaltene Bühnenbild und den Einsatz sehr weniger Materialien vorherrscht, ermöglicht es der Sprache größere Bedeutung zu erlangen und erfüllt dementsprechend auch seine Bedeutung.

Das unsichtbare Haus, Junges Theater Münster, Performing Group Köln

Das Bühnendesign dieses Stückes ist wie ein Gegenpol zum inhaltlichen Überfluss, der durch die Sprache und die Videoprojektion vermittelt wird. Der klar definierte weiße Rahmen, die leere, schwarze Bühne und der ausfüllende, große Screen bieten eine passende Szenerie für die Reise durch die Erd- und Weltgeschichte.

Durch den starken Vermittlungsanspruch, Video und die Erzählungen, braucht es eine Bühne, die freien Raum für diese Inhalte anbietet. In diesem Stück ist die Formensprache so klar und reduziert, dass jeder Teil, jedes Material, jede Bewegung, seinen sinnvollen Zweck erfüllt. Der weiße Rahmen bietet den notwendigen freien Raum dafür. Die Sprache und das Video beleben diesen Raum. Die Körper der drei Schauspieler sind durch den gezielten Einsatz von Körper und Bewegung ebenso abstrakt, wie es die Bühne ist, und ergänzen das Erzählte und Projizierte; sie entfalten sich visuell auf dieser fast unsichtbaren Bühne.

Eine kurze Geschichte der Welt, Theater Oberhausen

In elf Bildern, inklusive Materialschlacht, wird die Geschichte der Welt erzählt. Als Pendant zu „Das unsichtbare Haus“ stehen hier die Bühne und die Sprache in anderer Relation zueinander. Die Vermittlung geschieht über die Bilder, die Szenen und die Lieder, und weniger über konkrete Sprache. Die Bühne leitet die Fantasie und erzeugt Geschichten, Fortsetzungen und Schlussfolgerungen. Das Sichtbarmachen des Bühnen Auf- und Abbaus zwischen den Szenen, spiegelt das „Entstehen von etwas Neuem“, auf interessante Weise direkt auf der Bühne wider. Die Bühne ist somit das leitende Element des Stückes, und es ist nicht störend, wenn einige Lieder auf Italienisch oder Spanisch gesungen werden, denn die Bilder sprechen für sich, genauso wie die Melodie die Emotionen leiten, ohne den Text verstehen zu müssen.

Der Fokus auf das Bühnenbild lässt sich an der Liebe zum Detail von Kostümen, dem Einsatz von verschiedenen Medien und dem Sichtbarmachen der Prozesse die gebraucht werden, um das Bühnenbild zu schaffen, erkennen. Die Sprache, die vorrangig in Form von Liedern vorgebracht wird, hat dieselbe, gelungene Handschrift wie die Bühne, mit Liebe zum Detail, dem Sichtbarmachen von Geräuschquellen, und dem Ziel Emotionen und Fantasien zu evozieren.

 

Von Jasmin Schaitl

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