Gebärdensprache und Theater – Geht das überhaupt?

In jedem Land dieser Welt wird in irgendeiner Form Theater gespielt. Ob in China auf Chinesisch, in Brasilien auf Portugiesisch oder hier in Deutschland auf Deutsch: Die Menschen verstehen in den meisten Fällen das, was auf der Bühne gesagt wird, selbst, wenn die Bühnensprache wie bei der Produktion „mit dir zusammen“ (theater monteure, Köln) aus der Fantasie der Spielenden heraus entstanden ist, eine in sich geschlossene Grammatik besitzt und es keinerlei Verbindungen zur deutschen Sprache gibt. Denn hierbei kann ebenfalls mit Tonhöhen, Betonungen, etc. gespielt werden, sodass die Zuschauenden verstehen, in welcher Beziehung die Figuren zu einander stehen, welche Gefühle sie durchleben und was in dem Stück thematisiert wird, ohne, dass eine Simultanübersetzung benötigt wird.

Was ist jedoch, wenn die Bühnensprache einmal eine andere Form annimmt und die Laute in den Hintergrund gerückt werden?

Auf dem diesjährigen Westwind-Festival präsentierte das FFT Düsseldorf eine Inszenierung, in der sowohl Lautsprache, als auch die deutsche Gebärdensprache gesprochen wurden. Das Problem der Verständnislosigkeit zwischen Publikum und Spielenden wurde hier überwunden, indem die Übersetzungen der Gebärden durch eine hörende Schauspielerin geschickt in die Geschichte mit eingebunden wurden. Dadurch konnten alle Zuschauenden der Geschichte gleichermaßen folgen, jedoch traten die Reaktionen im Publikum auffallend zeitversetzt ein, denn eine Schulklasse tauber Schüler*innen lachte oftmals früher, als die Zuschauenden, die die Gebärdensprache nicht beherrschten. Fakt ist allerdings, dass wegen der Sprache keinerlei Verständnisschwierigkeiten bezüglich des Inhaltes auftraten. Um die zwei nicht hörenden Spielenden des FFT Düsseldorf auch an den restlichen Veranstaltungen des Festivals teilhaben lassen zu können, wurden sie von Dolmetscherinnen begleitet, die ausdauernd mal am Bühnenrand und mal im Publikum sowohl Theaterstücke und Reden als auch Rap-Songs übersetzten.

Durch die Präsenz der Gebärdensprache stellte sich mir die dringende Frage, inwiefern nicht hörende Schauspieler*innen in dem professionellen Theaterbereich arbeiten können. Auf genau diese Frage antwortete Rafael-Evitan Grombelka, der in „wach!“ vom FFT Düsseldorf durch seine ausdrucksstarke Körperlichkeit überzeugte, dass es für nicht hörende Menschen keine Möglichkeit gibt, sich im Schauspielhandwerk professionell ausbilden zu lassen. Doch dieser Aspekt hindert Grombelka nicht daran, sein Können auf der Bühne zu präsentieren und damit sogar eine Auszeichnung der Preisjury zu erhalten. Für ihn gibt es eine klare Verbindung zwischen dem Schauspiel und der Gebärdensprache, denn bei der Gebärdensprache gibt oftmals nur die Mimik Aufschluss darüber, ob am Ende des Satzes ein Frage- oder ein Ausrufezeichen steht.

Es ist also hoffentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die Theaterwelt Formen findet, wie sie das unverbrauchte Potenzial der Gebärdensprache als Bühnensprache nutzen und nicht hörenden Künstlern*innen einen Zugang zur Professionalität bieten kann.

Nele Eilbrecht, Studentin am Institut für Theaterpädagogik der Hochschule Osnabrück, Standort Lingen

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert