Manipulation in der Ritterstraße (Aktionisten) – Teil 3

Die Trilogie: Finale Verschwörung

Nachdem ich meiner inneren kritischen Stimme etwas Einhalt gebieten konnte, treten meine Zweifel in den Hintergrund. Ich werde schon einen Text daraus basteln. Jetzt bin ich erst mal hier! Wow! Mittlerweile ist es richtig spät geworden. Jetzt bin ich im Stress! Scheiße, die letzte Bahn fährt schon in 15 Minuten. Wer kann mich bringen? Ich verlaufe mich doch ständig!!!

Teilnehmer*in: „Hey, warum pennst du nicht einfach hier? Wir haben Decken, Matten und ganz ehrlich, juckt hier keinen, wenn du morgen die gleichen Klamotten trägst und bisschen müffelst.“

Ich: „Ja, cool, eigentlich voll gerne. Ich weiß auch nicht, ich dachte die ganze Zeit, ich muss nach Hause und dann morgen früh noch was über den Workshop aufschreiben.“

Teilnehmer*in: „Mmm o.k…dann mach das doch. Du kannst ja was über Manipulation schreiben.“

Damit ist die Entscheidung gefallen. Auch ich übernachte in der Ritterstraße. Auf einem großen Matratzenlager kommen alle zusammen (IkS: richtig hippiemäßig). Ich bin so erschöpft, dass ich sofort einschlafe.

Am nächsten Morgen ist um 12 Uhr „Frühstück“ angesagt. Danach geht es endlich ans Arbeiten. Heute soll es um das Theaterstück „Stones“ gehen. Wir teilen uns in drei kleine Gruppen auf. Jede Gruppe bekommt einen Textauszug und soll dazu eine kurze Performance vorbereiten, egal in welcher Form. Nach 30 Minuten treffen wir uns in der Großgruppe zur Präsentation wieder. Die erste Gruppe zeigt eine Situation, bei der eine Person in der Mitte steht und von ihrer eigenen inneren kritischen Stimme umkreist, hin und her gerissen und am Ende der Szene zu Boden gedrückt wird. Die zweite Gruppe stellt einen inneren Monolog dar, welchen sie aus der gesamten Szene zusammengestrichen haben. Thematisiert werden die Zweifel, Schuldgefühle und Ängste einer der Protagonisten. Um die Situation zu verstärken setzten sie einen wiederkehrenden Gong ein, als Symbol für das Vergehen von Zeit. Das ist die finale Verschwörung, denke ich. Das sind genau die Themen, die mich die ganze Zeit beschäftigen, wie kann das sein?

Meine Gruppe ist an der Reihe. Zu einem Rhythmus, den wir mit Klangröhren auf unsere Oberschenkel klopfen, sprechen wir einen Dialog aus dem Stück. Unser Thema: Verantwortung.

Nach dem wir uns über jede Szene ausgetauscht haben, ist es Zeit sich zu verabschieden. Beim nächsten Termin werde ich nicht da sein können. Ich weiß noch nicht ob ich das gut oder schlecht finde. Als ich in der U-Bahn sitze, kommen mir die letzten zwei Tage absurd vor. Ich bin verwirrt und entscheide mich spontan alle Fragen aufzuschreiben, die mir für meine Dokumentation wichtig erscheinen:

In welchem Fall sollte(n) ich (wir) unser Vorhaben durchboxen, auch wenn uns die Situation zunächst etwas anderes vermittelt? Wie schnell können wir unsere Pläne ändern und uns auf eine neue Situation einstellen? Wie wichtig ist die Person, die zwischen den Jugendlichen und uns vermittelt für unsere Arbeit? Welche Rahmung müssen wir bieten, um auf die Spontaneität, bzw. Unbeständigkeit der Gruppe zu reagieren? Wie verwandelt sich unser Frust in Lust? Worauf möchten wir mit unserer Arbeit hinaus? Wollen wir Masse abdecken oder sind wir bereit uns auf eine Begegnung miteinander einzulassen? Was bringen wir mit? Wie können wir begeistern und uns begeistern lassen? Wie können wir Verbindlichkeiten schaffen, ohne Zwang?

Hier geht’s zum Gespräch mit Meike Wieland

Sarah Kramer
Sarah Kramer arbeitet Theaterpädagogin am THEATER AN DER PARKAUE und lebt in Berlin. Ihr Studium absolvierte sie am Institut für Theaterpädagogik (HS Osnabrück). Sarah leitet Theatergruppen und Projekte für Jugendliche, Kinder und Erwachsene.

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