Ein Feuerwerk aus Funken (Aktionisten)

Am 22. Mai um 15 Uhr betrete ich zum letzten Mal (meine Vorfreude/Aufregung steigt) vor Festivalbeginn das Foyer im tanzhaus nrw. Dort treffe ich auf eine quirlige Gemeinschaft Halbstarker* von der Hauptschule Itterstraße in Düsseldorf. Die Gruppe ist gerade angekommen und verteilt sich an den Tischen im Foyer. Geplant ist die Vorbereitung der Aktion zu dem Theaterstück „chalk about“, bei der Leandro Kees Regie führte. Die Vermittler*innen verteilen Spiegelfolien, welche anschließend mit Zeichnungen gestaltet werden. Dabei assoziiert die Gruppe zu den folgenden Fragen und Gedanken:

Wer bin ich? Was sammelt sich an Wissen, Träumen, Wünschen und Zukunftsvorstellungen an? Haben andere das auch? Und wie kann ich diese Gedanken und Gefühle ausdrücken?

Das Besondere ist: Diese Aktion ist nicht für das Foyer, sondern den Theaterraum geplant, und wird direkt im Anschluss an die Performance stattfinden.

Deshalb proben wir auch gleich vor Ort“, sagt Anna-Sophia (Vermittlerin). „Es ist sehr wichtig, dass ihr auf der Bühne vorsichtig seid. Überall liegen Kabel und Dinge, über die ihr stolpern könntet. Deshalb bleiben wir zusammen.“

Als wir die Bühne betreten, sind die Kids verwirrt und begeistert zugleich:

„Wow, hier werden wir spielen?“ „Dann müssen wir uns auf jeden Fall geeignete Plätze im Publikum reservieren, damit wir auch gut verteilt sind.“ „Ich bin aufgeregt. “Ich hoffe ich mache alles richtig.“ „Wir überlegen uns ganz genau, wer nach wem drankommt Ok!?“„Auf jeden Fall müssen alle mitmachen nicht das ich der einzige bin, der was macht.“

Die Gruppe trifft sich zum Warm-Up in der Mitte der Bühne und völlig unerwartet entbrennt vor meinen Augen ein Feuerwerk aus Energie, Ausdruck und Tanz. (Ich möchte anmerken, dass ich diese Gruppe sofort ins Herz geschlossen habe, weil sie mir kurz vor Festivalbeginn so viel Auftrieb gegeben hat.) Die Kids platzieren sich immer wieder neu im Raum. Spielerisch und mit großem körperlichen Einsatz von Anna-Sophia 😉 entsteht die Performance.

Das Licht geht aus, Taschenlampen kommen zum Einsatz und ich werfe mich mitten rein, rein in den Trubel.

Am Ende steht der Ablauf. Die Kids sind zufrieden und freuen sich auf ihren Auftritt im Festival sowie auf das Theaterstück, das sie besuchen werden. Auch die Vermittlerinnen scheinen glücklich und geschafft zugleich.

Ich denke: Ja, das war’s jetzt – Phase 1 meines Projektes ist hiermit abgeschlossen!

Und ich frage mich auch: Was hat sich angesammelt an Wissen, Träumen, Wünschen und Zukunftsvorstellungen? Und wie kann ich diese Gedanken und Gefühle in meinen Texten, Bildern und Beschreibungen ausdrücken? Für ein erstes Resümee scheint es mir noch zu früh, auch wenn sich die ersten Bausteine zusammensetzen und sich herausstellt, dass ich über bestimmte Dinge, die ich in der Praxis erfahren habe, über bestimmte Menschen, Aussagen und Begegnungen, vermehrt nachdenke.

Aber noch ist keine Zeit, um sacken zu lassen. Mit meinen Gedanken bin ich schon im Festival. Und auf einmal wird mir klar, was für ein vielschichtiges Mammutprojekt das hier ist. Ich bin so froh darüber, dass ich zurück schauen kann, dass ich alles aufgeschrieben habe, dass ich so viele Menschen getroffen habe, die Dinge gesagt haben, die ihnen wichtig sind und dass ich zumindest in der virtuellen Realität Menschen nebeneinander abbilden kann, deren Realitäten so unterschiedlich sind, dass sie sich im „wirklichen“ Leben vermutlich nicht begegnen würden. Vielleicht ergibt sich gerade aus dieser Gegensätzlichkeit ein eigenes Bild, ein Stück neue Realität, die natürlich durch meine Wahrnehmung gestaltet wurde. Dennoch war und ist mein Anspruch, bei den Menschen zu bleiben, denen ich begegne und ein Bild zu finden, das sie würdig vertritt und das in meinen Augen Besondere und Einmalige an ihnen im Kontext dieses Projektes herausstellt. Manchmal war das ganz leicht und manchmal musste ich meinen Blickwinkel verändern, um zu begreifen, wer hier vor mir sitzt und wie sich die Aussagen der Einzelnen im Gesamtkontext meines ursprünglichen Forschungsvorhabens (siehe Über mich) verorten lassen.

Mein Wunsch an das Festival: Ein Stück Realität zu schaffen und uns den Funken einer Utopie zu geben, unsere Köpfe mit Ideen, Menschen und Begegnungen zu füllen, die uns in unserer Arbeit weiter tragen und uns persönlich wachsen lassen.

Chackalackaaa! Jetzt geht’s Los!

*Die „Halbstarken“ waren die erste Generation, die sich weltweit identisch unter den Zeichen einer neuen Zeit formierten.

Sarah Kramer
Sarah Kramer arbeitet Theaterpädagogin am THEATER AN DER PARKAUE und lebt in Berlin. Ihr Studium absolvierte sie am Institut für Theaterpädagogik (HS Osnabrück). Sarah leitet Theatergruppen und Projekte für Jugendliche, Kinder und Erwachsene.

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