Im Gespräch mit Pia Katharina Jendreizik

Wir treffen uns in der Flottmann-Kneipe mit Pia, Spielerin bei Wach? und Xenia Vitriak (Gebärdendolmetscherin). In Wach? stehen zwei gehörlose und eine hörende Performer*innen auf der Bühne und spielen für eine gehörloses und hörendes Publikum. Das Stück vom Forum Freies Theater (FFT) in Düsseldorf wurde zum WESTWIND2016 eingeladen und nach guter alter WESTWIND-Tradition ist Pia die ganze Woche auf dem Festival dabei.

KK: Hallo Pia, kannst du dich uns kurz vorstellen?

Mein Name ist Pia und das ist mein Gebärdenname.

Ich bin geboren und aufgewachsen als gehörloses Mädchen in einer hörenden Familie. Ich interessiere mich für Bildung zum Beispiel im Erziehungsbereich und bin auch politisch sehr engagiert.

KK: Wie bist du ans Theater gekommen?

Ich war damals in einer Jugendgruppe mit Wera [Wera Mahne, Regisseurin von „Wach?“]. Leider wurde sie nur ein halbes Jahr gefördert, danach wurden die Förderung gekürzt und das Programm aufgelöst. Ich bin danach nach Köln gezogen, habe weiter Theater gespielt und sehr viel gelernt. In Dortmund habe ich mit einer Gruppe Deaf-Slam gemacht, das ist ähnlich wie Poetry-Slam, wird aber gebärdet. Und da habe ich gewonnen.

Danach wollte ich mit der Schauspielerei weiter machen, weil das das ist, was ich liebe. Ich habe gesucht, was zu mir passen könnte und leider nichts gefunden. Ich hatte dann auch nur wenig Zeit neben meiner Arbeit als Dozentin und habe dann erst mal gearbeitet und meine Ausbildung abgeschlossen.

Dann hat mich Wera angerufen, weil sie etwas machen wollte zu dem Kinderbuch stormy nights, und gefragt, ob wir uns zusammen setzen wollen um ein paar Ideen austauschen. Ich habe gesagt, ja das können wir gerne machen, das interessiert mich. So hat sich das entwickelt, wir haben dann mit Kindern zusammen gearbeitet, mit ihren Träumen, was da alles in den Köpfen passiert und das dann in ein Theaterstück umgewandelt. Und so ist Wach? entstanden.

KK: Wie geht es dir auf dem WESTWIND?

Ich finde es sehr interessant mir die verschiedenen Stücke anzuschauen. Mir hat zum Beispiel Peter Pan sehr gut gefallen, das war sehr visuell, die verschiedenen Körperbewegungen, die Tänze, die gewechselt haben, das fand ich richtig gut. Und football on stilettos, daran hat mich der Inhalt sehr interessiert und es war auch eine Dolmetscherin mit dabei. Die Inszenierung hat sehr viele Bilder und visuelle Reize geboten, und ich habe mit der Hilfe von der Dolmetscherin alles sehr gut verstanden. Ich hoffe jetzt das in den anderen Stücken auch noch Dolmetscher*innen mit dabei sind, sonst können Sachen verloren gehen und das ist natürlich schade.

KK: Bist du aufgeregt, vor eurer Aufführung auf dem Festival?

Ja schon. Hier treffe ich viele neue Leute und dann sehe ich ja auch, wer woanders mitspielt und das macht mich schon ein bisschen aufgeregt. Ansonsten, vor unbekannten Leuten hab ich kein Problem, aber wenn ich die Leute kenne oder vorher getroffen habe, dann habe ich schon ein komisches Gefühl.

KK: wie ist es für dich als gehörloser Mensch auf einem von Hörenden veranstalteten Festival zu sein?

Manche Leute hier können gebärden, da freue ich mich natürlich sehr drüber. Und auch die anderen versuchen in Kontakt zu kommen, wenn wir uns treffen. Das läuft dann über Zeigen, oder pantomimisch: „Hallo“, „Schlafen“ und solche kleinen Sachen. Wenn es um tiefergründigere Fragen geht, dann brauchen wir eben eine Dolmetscherin. Da ist hier zum Beispiel Xenia mit dabei und Kathrin, die wechseln sich ab. Also ist das kein Problem.

KK: Was sind Themen die du persönlich besonders spannend findest?

Ich hab ein großes Interesse an Poetry-Slam und Poesie. Das finde ich sehr schön, jeder hat ja seinen eigenen Ausdruck, seine eigenen Gedanken und die zusammenzuführen mit der Gehörlosen-Welt und das dann wiederum zu zeigen für Menschen, die nichts damit zu tun haben, zu erzählen, wer wir sind und wie es uns geht. Das finde ich sehr interessant.

Ich möchte natürlich meine Kultur zeigen, mein Leben, meine Erfahrungen, die ich gesammelt habe als Kind in einer Welt voller hörenden Menschen und ich als Einzige gehörlos. Diese Erfahrungen, das zu zeigen finde ich spannend und zu zeigen, wie Integration auch klappen kann zwischen Hörenden und Gehörlosen.

Und Tanzen, ich bin mit Tanzen aufgewachsen und das macht mir großen Spaß. Ich hab auch lange mit Hörenden in einer Gruppe getanzt und das hat super geklappt, obwohl ich die einzige Gehörlose war. Das alles ist für mich integriert ins Theater, das macht mir alles Spaß.

KK: Welche Inspirationen für deine eigene künstlerische Arbeit nimmst du hier mit?

Also ich muss sagen, Peter Pan hat mich da sehr beeindruckt. Es gibt auch viele Parallelen zu Wach?, zum Beispiel in einer Szene, die wir „Quatsch-Szene“ nennen, da habe ich sehr viele Ähnlichkeiten gesehen, das ist mir immer wieder aufgefallen, auch zum Beispiel als es Streitereien gab zwischen den Spieler*innen. Und es war einfach sehr ausdrucksstark und sehr abstrakt, das hat mir gut gefallen. Da kann ich viel für unser Stück mitnehmen.

KK: Findest du, das auf dem Festival noch mehr gedolmetscht werden müsste?

Mein Ziel und meine Hoffnung ist natürlich, dass Theater immer gedolmetscht wird. Aber auch, dass immer ein*e Dolmetscher*in neben der Bühne steht und übersetzt. Ich sitze ja im Publikum und muss die Dolmetscherin angucken, die neben mir sitzt und dann gucke ich auf die Bühne und hab alles wieder verpasst. Deshalb würde ich mir wünschen, dass die Dolmetscherin auch auf der Bühne stehen kann, oder vor der Bühne, so dass ich da eben nichts verpasse. Ich muss auch sagen, ein*e Dolmetscher*in ist nicht genug. Ein*e Dolmetscher*in kann das alles nicht umsetzen, Dolmetscher*innen müssen wechseln, zum Beispiel: Die eine voiced gerade und beantwortet fragen und die andere gebärdet. Für das ganze Festival ist es besser, wenn sich 3 oder 4 Dolmetscher*innen abwechseln.

Für eine Theateraufführung braucht man schon zwei Dolmetscher*innen. Eine Stunde Dolmetschen ist zu anstrengend für eine Person, das schafft man nicht. Es wird ja auch schnell geredet, es gibt Rollenwechsel und so, also man braucht schon zwei für eine Aufführung.

Foto: Martin Büttner

KLUB KIRSCHROT
KLUB KIRSCHROT entwickeln in kollektiven Arbeitsprozessen Theaterstücke für ein junges Publikum. Das WESTWIND 2017 dokumentiert KLUB KIRSCHROT als WESTWIND-Blog Team bestehend aus Rosi Böhm, Kristin Grün, Sarah Kramer und Matthias Linnemann.

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