Das „BUDDY-Prinzip“ – im Gespräch mit Jana* (Aktionisten)

Hallo Jana, schön dich im Rahmen des WESTWIND Festivals getroffen zu haben. 

Du arbeitest als Theaterpädagogin in der JFE St. Matthäus in Dü-Hellerhof. Ich habe dir und deiner Position den liebevollen Namen „Buddy“ gegeben. Für mich steht diese Bezeichnung für die Menschen (Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen, Theaterpädagog*innen usw.), die den Kontakt zur Zielgruppe, ggf. den Eltern und der Institution, aufbauen. Im besten Fall gebt ihr den Kindern und Jugendlichen Sicherheit oder den nötigen Stups um sich auf eine, für sie und oftmals auch für ihre „Buddys“, ungewohnte Situation einzulassen. Was in manchen Gruppen mit einem reinen Höflichkeitsbesuch, zu Liebe der „Buddys“ beginnt entwickelt sich Dank eurer Unterstützung, zu einer intensiven Zusammenarbeit aller Beteiligten. Allerdings habe ich in den Vermittlungen auch Gegenteiliges erlebt. Deshalb denke ich, dass gerade im Rahmen der freiwilligen Beteiligung, welche für mich eine Grundvoraussetzung für kreatives Arbeiten ist, die Kommunikation zwischen den Projektpartner*innen intensiver Pflege bedarf. Von heute auf morgen Vertrauen aufbauen ist schwer. Mich interessiert deine Wahrnehmung der Situation.

Kannst du mit dem Begriff „Buddy“ etwas anfangen?

Ich muss bei dem Begriff an das Improspiel „Big Buddy“ denken , wo es ja immer geht „Big Buddy-oh yeah“. Alles auf einer lockeren, kumpelhaften Ebene, das kommt mir bei dem Begriff „Buddy“ in den Sinn.

Ein Buddy ist in diesem Zusammenhang in erster Linie die erste Vertrauensperson für die Kinder. Theaterpädagogische Arbeit kann Überwindung kosten. Es tut manchen Kindern gut, eine Ansprechpartnerin für schwierige Situationen dabei zu haben.

Worauf legst du im Kontakt mit der Zielgruppe am meisten Wert? 

Gegenseitiges Vertrauen, Transparenz und Gleichberechtigung.

Was ist das St. Matthäus für eine Einrichtung? Wer kommt hierher? Wie sieht euer Alltag aus?

Die JFE ist eine Freizeiteinrichtung für verschiedene Angebote. Auch kulturelle Vielfalt wird hier groß geschrieben. Die meisten Kinder kommen aus den umliegenden kleinen Stadtteilen. Die Kids kommen im Alltag gerne zum freien Spielen. Spontan wird gekocht, gewerkelt, Bastelanleitungen im Internet ausgedruckt. Im schönen Außengelände Federball oder Basketball gespielt oder drinnen Tischtennis und oft auch an der Spielkonsole gezockt.

Wie siehst du deine Aufgabe in diesem Projekt?

Als erste Anlaufstelle für die Kids. Als Netzwerkerin, Koordinatorin, Vermittlerin, Organisatorin, Zugbegleiterin für die Kinder und auch als große Verantwortungsperson, da ich als einzige im direkten Kontakt zu den Eltern stehe. Zudem als Motivator für die Kinder und als Auffangbecken für Schwierigkeiten, Konflikte und Klärung von allgemeinen Fragen.

Was sind deine Wünsche und Erwartungen an das Projekt? Wie nimmst du die künstlerische Arbeit mit der Zielgruppe wahr?

Meine Wünsche sind, dass die Kinder lernen ihren persönlichen Komfort-Platz in der Gruppe und im Projekt zu finden, in einem fest gesetzten Rahmen, in dem sie sich persönlich und künstlerisch (was ja beides beim Theater immer zusammenhängt) entfalten und ihre Ressourcen zum Ausdruck bringen können. Jede/r von ihnen soll seine/ ihre Daseinsberechtigung in dem Projekt haben und das Gefühl, wichtig für das Projekt zu sein. Mein Wunsch ist, dass man sich die Verantwortung und die Aufgaben teilt, sodass die Arbeit als Team funktioniert.

Die Arbeit nehme ich als frei, prozessorientiert und assoziativ wahr. Bei der einen oder anderen Probe dachte ich, vielleicht überfordert das freie Arbeiten die Kinder, weil Kinder ja Regeln und klare Vorgaben brauchen und an diese auch gewöhnt sind. Aber aus einer anfänglichen Überforderung kann ja am Ende ein tolles Produkt wachsen und entstehen.

Wie sind deine bisherigen Erfahrungen? Gibt es einen besonderen Moment, den du mir beschreiben kannst? Ein erstes Resümee, das du ziehst?

Also ich finde, dass die Kinder mit den Vermittlerinnen  für die Kürze der Zeit total gut harmonieren und das viele interessante Ergebnisse zum Vorschein gekommen sind. Die Kinder sind im Umgang untereinander harmonischer als ich sie sonst im OGS- Alltag erlebe. Ein besonderer Moment war für mich als wir zusammen im Kreis saßen und alle Kinder ganz gespannt waren und es geschafft haben, ruhig und mit viel Phantasie eine Geschichte aufzunehmen. Ein erstes Resümee, was ich ziehe ist, dass in kürzester Zeit wirklich tolle Sachen entstanden sind, dass das Konzept aufgegangen ist. Wobei ich mir Anfangs nicht so ganz sicher war, da einige Kinder, ich glaube sogar die meisten, kaum Erfahrung mit Theaterspielen haben und die Zeit knapp bemessen war. Das Konzept war von den durchführenden Mädels wirklich gut durchdacht. An der ein oder anderen Stelle hätte ich mir für die Kinder mehr Raum zum körperlichen Ausgleich gewünscht. Die Warm- Ups waren manchmal etwas zu lasch und zu wenig auf den Körper und Präsenz gerichtet. Ich glaube, zwischendurch mehr Raum zum Austoben und Sich-Auslassen, hätte den Kids gut getan. Auch um die Energie oben zu halten. Ansonsten tolle Ideen und tolle Umsetzung.

Ich weiß noch, dass am Anfang die Idee im Raum stand, einen Märchenpark zu machen und plötzlich tauchte diese Parcours-Idee in der anderen Inszenierungsarbeit von Oopicassoo wieder auf. Das ist das Spannende an der prozessorientierten Theaterarbeit. Dass durch die Verschmelzung von Ideen der Kinder und den eigenen plötzlich etwas Neues entsteht. Dafür ist dann das gegenseitige Vertrauen wichtig. Auch vor Allem unseres den Kindern gegenüber, dass sie den Inhalt, bzw. gesteckten Rahmen mit eigenen Ideen füllen.

Thema: Nachhaltigkeit – Denkst du dieses Projekt kann auch längerfristig etwas bewirken?

Ich denke, dass das Projekt dahingehend nachhaltig ist, dass ich mit den Kindern gemeinsam als Theatergruppe weiter arbeiten kann, zumindest diejenigen, die durch das Westwind Projekt auf den Geschmack gekommen sind. Des Weiteren kann ich durch eine Reflexion herausfinden, welche Methoden und Dinge aus dem Westwind Projekt den Kindern am besten gefallen haben und diese dann weiter nutzen. Außerdem wirkt sich die Teilnahme an so einem Projekt für die Kinder selbstverständlich auch positiv auf ihre Sozialkompetenzen und ihr Selbstbewusstsein aus. Sie können nach dem Projekt zurückblicken und sich selbst auf die Schulter klopfen und sich sagen: „Ich habe dazu beigetragen ein Stück entstehen zu lassen und auf die Bühne zu bringen und stand selbst mit auf der Bühne, wozu ja auch immer viel Mut gehört. Ich habe durch die Teilnahme an dem Projekt bewiesen, dass ich mutig und teamfähig bin und bin einfach ein Teil eines großen, Ganzen.“ Das ist etwas sehr Wertvolles, Nachhaltiges, was die Kinder für sich aus dem Projekt mitnehmen können.

blog-westwind-festival-18Siehst du einen Mehrwert für eure Einrichtung oder persönlich? Wenn ja, welchen?

Für die Jugendfreizeiteinrichtung sehe ich darin einen Mehrwert, dass ich es total spannend, anregend und gut fände, die Kooperation mit dem Jungem Schauspielhaus aufrecht zu halten und an dem Format aus dem Projekt weiterzuarbeiten und dieses fortzuführen. Sprich, dass man mit einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen zu einem Stück, was im Jungen Schauspielhaus aktuell läuft, theaterpädagogisch zu dem Thema, was in diesem Stück vorkommt, arbeitet und dieses den Künstlern darbietet und anschließend darüber in den Austausch kommt. Es könnte dabei auch eher auf einen thematischen Austausch hinauslaufen, als auf einen künstlerischen. Das hängt dann aber von dem jeweiligen „Stückthema“ ab. Diese Idee finde ich sehr spannend und sorgt dafür, junge Menschen ins Theater zu bekommen und sie an die Stücke näher heran zu führen. Diesen Ansatz finde ich bei dem gesamten Festival „Westwind“ total spannend und gut. Dieser drückt für mich ganz deutlich die Arbeit auf Augenhöhe mit den Kindern aus.

Des Weiteren ist uns fast allen, einschließlich den Kindern, bei der Arbeit aufgefallen, dass der Raum für zukünftige Theaterarbeit dringend umgestaltet werden sollte. Er ist einfach zu überladen und lenkt schon allein durch die zwei Fensterfronten ab. Er sollte einfach schlichter gestaltet werden.

Was würdest du dir in deiner Funktion als Theaterpädagogin in einer JFE vom Theater (mehr) wünschen? Und was von der Politik hinsichtlich kultureller Bildung?

 Mehr Arbeit anknüpfend an den Themen, die die Kinder und Jugendlichen wirklich beschäftigen. Keine aufgezwungenen Sachen, sondern einen Raum in dem sie ihre persönlichen Lieblingslieder, Tänze, Geschichten, Themen etc. einbringen können. Die nicht aufdringlich und belehrend, von oben herab wirkt. Die Teilnehmer da abholen wo sie sind und ihnen das geben, was man intuitiv denkt. Die Kinder sind so voll mit Eindrücken, Konflikten, Gefühlen von Ungerechtigkeiten und Ausgrenzung. Theater soll einen Raum geben, an diesen Dingen gemeinsam als Gruppe zu arbeiten. Weil Theater einfach am nächsten an dem Menschen und seinen Gefühlen dran ist.

Von der Politik wünsche ich mir für die kulturelle Bildung: Geld, Geld, Geld und die Anerkennung an dieser wertvollen und nachhaltigen Arbeit und dass sie dieses Potenzial darin erkennen und näher hingucken, wie sich solche Projekte positiv auf unsere Gesellschaft und vor allem auf Heranwachsende auswirken.

Jana Standop* studierte Theaterpädagogik an der HS Osnabrück.

Hier geht’s weiter zu Farben Formen Gefühle – Tag 1

Sarah Kramer
Sarah Kramer arbeitet Theaterpädagogin am THEATER AN DER PARKAUE und lebt in Berlin. Ihr Studium absolvierte sie am Institut für Theaterpädagogik (HS Osnabrück). Sarah leitet Theatergruppen und Projekte für Jugendliche, Kinder und Erwachsene.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert