PAUSE IN PLEASENTVILLE (Aktionisten) – Teil 1

Es ist Halbzeit. In der Vorbereitung der Aktionisten auf WESTWIND verdichten sich die Termine. Seit Mitte April bin ich unterwegs und „hoppe“ von einer Institution zur nächsten. Ich lerne unterschiedliche Menschen und Arbeitskontexte kennen, unterhalte mich mit Kindern, Jugendlichen, Pädagog*innen, Sozialarbeiter*innen und Künstler*innen. Wir tauschen Erfahrungen und Blickwinkel aus, scherzen und nähern uns an. Danach sitze ich am Schreibtisch – trage Informationen zusammen, bearbeite Fotos, versuche Stimmungen einzufangen, Abläufe zu beschreiben und Fragen aufzuwerfen, die ich im Rahmen des Festivals interessant finde.

Und: Ich renne den EINVERSTÄNDISERKLÄRUNGEN der Kinder und Jugendlichen hinter her, damit ich die Texte und Fotos veröffentlichen darf. Was darüber hinaus mitschwingt ist der ständige Zeitdruck: Werden die Texte rechtzeitig fertig? Was wird in der nächsten Gruppe passieren? Wer kommt? Wer kommt nicht? Sind wir willkommen? Mit wem kann ich worüber reden? Was ist interessant? Was nehme ich mit und was lasse ich fallen?

Heute ist der 9. Mai 2015 und die JFE Nordkap steht auf dem Plan. Laut Vorbereitung soll es um die „Konferenz der wesentlichen Dinge“, ein Gesellschaftsspiel von pulk fiktion, gehen. Ich setzte mich in die U79 Richtung Norden. Ausstieg: Wittlaer. Wir bewegen uns aus dem Stadtzentrum Richtung außerhalb. Ich schaue aus dem Fenster. Langsam verschwinden die grauen Gebäude, die bunten Reklamen, die freundlichen, grimmigen, hektischen, scheuen und laut-leisen Gesichter der Stadtmitte. Die Bahn bringt mich an einen neuen Ort: Ins Grüne.

Nach nur 25 Minuten Fahrt zeigt sich Düsseldorf von seiner Sonnenseite. Ruhe und Frieden liegen in der Luft. Meine erste Assoziation im Stadtteil Wittlaer ist der Film „Pleasentville“ vom Regisseur Gary Ross: Zu schön um wahr zu sein aber wo ist der Dreck des Alltags? Als ich an einem Kinderspielplatz durch eine Neubausiedlung streife, hält ein Vater seine 3-jährige Tochter gerade zum Pinkeln in den Busch. Er lobt sie ausgiebig für ihre Pippi-Leistung: „Das hast du wirklich toll gemacht! Prima! Das war ganz großartig!“ „Schön“, denke ich. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mein Vater mich dafür gelobt hat, wenn ich in irgendeinen Busch gepinkelt habe.“ Aber woran ich mich erinnern kann: „Papaaa, fertig Hintern abwischen“!

Ich komme vor der Einrichtung zum stehen. Das Gebäude ist „Gigant- Tätisch“ (Wort-Mischung aus Gigant/Majestät). Ich trete ein – der Hammer: Alles neu, keine Graffiti-Schniedel an den Wänden, alles blitzblank geputzt. Ich biege um die nächste Ecke und trete direkt in den Aufenthaltsraum. Mindestens vier Köpfe drehen sich gleichzeitig nach mir um: Wow – das müssen sie sein – die Eltern von Pleasentville. „Lächeln und vertrauenswürdig wirken, sonst packen die ihre Kinder direkt wieder ein“, denke ich. Ich beobachte mich beim Händeschütteln. Zwischen den Erwachsenen stehen die Kinder und zwei Jugendliche: 2 Jungen und 6 Mädchen im Alter von 9 – 14 Jahren. Mit ihren Blicken checken sie die Lage. Um das Eis zu brechen, spreche ich eines der älteren Mädels an. Gegenüber steht ein zweites Mädchen im gleichen Alter. Abwechselnd stelle ich Fragen, die Mädchen kommen miteinander ins Gespräch. Ich ziehe mich raus. Auf dem Tisch liegen die Einverständniserklärungen: ALLE sind komplett ausgefüllt und unterschrieben, „krass, wie gut“, denke ich. Die Eltern verabschieden sich und wünschen uns viel Freude. Jetzt stehen die Kinder und Jugendlichen im Fokus. Gemeinsam gehen wir ins obere Stockwerk. Dabei verschwinde ich kurz auf die Toilette, wo die nächste Überraschung auf mich wartet!

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Hier geht’s zum Gespräch mit Nabila Chaaboute

Sarah Kramer
Sarah Kramer arbeitet Theaterpädagogin am THEATER AN DER PARKAUE und lebt in Berlin. Ihr Studium absolvierte sie am Institut für Theaterpädagogik (HS Osnabrück). Sarah leitet Theatergruppen und Projekte für Jugendliche, Kinder und Erwachsene.

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