PAUSE IN PLEASENTVILLE (Aktionisten) – Teil 2

Ich öffne die Kabinentür der Toilette. Ich kann mein Glück kaum fassen: „Das ist die schönste und sauberste Toilette, die ich jemals gesehen habe!“ Sofort mache ich ein Foto (über den Rest möchte ich in diesem Kontext nicht sprechen). „Hier möchte ich bleiben! Tür zu, Schotten dicht und einfach treiben lassen.“ blog-westwind-festival-116

Aber, hilft ja nichts, die Kids warten. Ich kann mir vorstellen, dass alle interessiert sind und wir bestimmt viel Spaß zusammen haben werden, das motiviert mich, über meinen eigenen Schatten zu springen.

Ich verlasse mein Klo-Versteck und gehe in den Raum, welcher uns für die Vermittlung zur Verfügung gestellt wurde. Zusammen nehmen wir in der Mitte Platz. Was mir sofort auffällt, ist die vorsichtige Stille. Die gesamte Gruppe scheint sehr aufmerksam.

Das Thema des Workshops: Kinder und Erwachsene und ihr Verhältnis zueinander. Die Frage: Welche Dinge findet ihr an Erwachsenen absurd?

Die Gruppe assoziiert: „Computer, Kaffeetrinken, am Handy sein, Streiten, Autofahren und Hupen, erhobener Zeigefinder, „räum dein Zimmer auf“, „räum die Spülmaschine aus“, „mach sofort deine Hausaufgaben“, „viel Spaß in der Schule“…

Die Vermittler*in fragt: „Gibt’s auch positive Dinge?“

„Ja, du bist aber gewachsen“, „hier von dem Geld kannst du dir ein Eis kaufen“, „ich hab dich lieb“, „Du darfst heute aussuchen, was es zum Mittag gibt“, „sollen wir gleich ins Schwimmbad gehen?“…

Ein Kind antwortet: „Ich finde absurd, dass Erwachsene stundenlang reden, wenn sie jemanden treffen, aber trotzdem nie Zeit haben. Erwachsene sind gestresster als Kinder und haben weniger Freizeit.“ Daraufhin gibt es die Anmerkung eines anderen Kindes: „Das stimmt so langsam auch nicht mehr.“

Die Gruppe fängt an, sich im Raum zu bewegen und nach den ersten Spielen bricht das Eis und ich ziehe mich raus. Wie vorher mit den Kindern und Vermittler*innen abgesprochen, setzte ich mich an den Rand, um die Situation zu beobachten. Die Gruppe ist theatererfahren. Zum Großteil kennen sie die Übungen, z.B. aus der Theater-AG ihrer Schule. Die Vermittler*innen gehen dazu über, freie Spielaufträge zu formulieren und die Kinder und Jugendlichen in 2er oder 3er Teams eigene Szenen entwickeln zu lassen, ganz nach ihren Wünschen. Denn es soll in diesem Kontext um einen gemeinsamen Weg gehen, einen der für alle unbekannt ist. Wir, die Erwachsenen, initiieren diesen Prozess und das ist eine große Verantwortung. Nach 20 Minuten freier Arbeit zeigen die Kleingruppen wundervolle Ergebnisse, die sowohl in ihrem Inhalt als auch in ihrer Form überraschen. Die Kinder und Jugendlichen fühlen sich angeregt, ihre eigenen Ideen einzubringen und genießen ihr freies Arbeiten, was sie in einer späteren Feedbackrunde zurück spiegeln.

Nach der ersten szenischen Präsentation macht die Gruppe eine ausgiebige Pause. Gemeinsam wird genascht und gespielt. Die Stimmung ist locker und ich freue mich, die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen (Vermittler*innen) interagieren zu sehen, ohne Ziel, ohne Plan. Eine Tischtennis-Platte wird zum Spielraum und zu einem wichtigen Punkt der gegenseitigen Annäherung.

Wie immer nutze ich die Pause um nachzudenken… Plötzlich spüre ich wieder meinen eigenen Produktionsdruck. „Werden die Texte rechtzeitig fertig? Was wird in der nächsten Gruppe passieren? Wer kommt? Wer kommt nicht? Sind wir Willkommen? Mit wem kann ich worüber reden? Was ist interessant? Was nehme ich mit und was lasse ich fallen?“

Ich merke: Ich brauche selbst eine Pause. Ich entscheide loszulassen und mir die Freiheit zu nehmen, einfach da zu sein, und mich auf den Moment einzulassen. Gar nicht so einfach, muss ich feststellen.

Ich fühle mich ertappt! Auch ich bin eine dieser absurden Erwachsenen hier in Pleasentville, die nicht abschalten kann.

Hier geht’s zum Gespräch mit Nabila Chaaboute

Sarah Kramer
Sarah Kramer arbeitet Theaterpädagogin am THEATER AN DER PARKAUE und lebt in Berlin. Ihr Studium absolvierte sie am Institut für Theaterpädagogik (HS Osnabrück). Sarah leitet Theatergruppen und Projekte für Jugendliche, Kinder und Erwachsene.

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