Themen Finden Formen (Aktionisten) – Tag 1

Ich hatte den Eindruck, dieser Ort ist wie ein zweites Wohnzimmer für die jungen Leute und sie genießen viel Freiraum und Freiheit. 

(Hanna Wangler, Vermittlerin)

Das Vermittlungskonzept, zu dem Theaterstück „Leider deutsch“ vom Theater Kohlenpott in Herne, setzt sich mit den Themen: „Lügen und Freundschaft“ auseinander.

Im Fokus stand die folgende Frage:

Durch welche Impulse von Seiten der Vermittlung finden die Teilnehmer*innen ihren eigenen thematischen Zugang?

– Themen-Findung –

In der zitty.familie (JFE) startete die Vermittlung der Aktionisten am 05. Mai 2015. Angesetzt war das erste Zusammentreffen mit den Kindern und Jugendlichen von 14.30 – 18.30 Uhr. Die Gruppe begann mit 8 Teilnehmer*innen zwischen 9-15 Jahren.

Zunächst versammelte sich die Gruppe im dem für sie vorgesehen Übungsraum. Die erste Aufgabe diente dazu, einander kennen zu lernen. Hierfür holte die Anleiterin eine Klopapierrolle hervor, welche von den Teilnehmer*innen im Kreis umher gereicht wurde. Die Ansage: „Du nimmst dir so viele Klopapier-Blättchen wie du auf dem Klo benötigst.“ Anschließend wurde jede*r dazu angehalten, beim Abreißen eines Blättchens eine Sache über sich selbst preiszugeben. Auf die erste Aufgabe folgten unterschiedliche Reaktionen. Die Konfrontation mit der eigenen Scham löste eine direkte Interaktion der Gruppe aus und führte dazu, dass sich Teilnehmer*innen nicht äußerten bzw. aufeinander Bezug nahmen. Es wurde kommentiert, wer wie viele Blättchen nahm und warum.

Es folgte eine zweite Übung bei welcher sich die Gruppe in einen Kreis stellte. Ein Ball wurde in die Runde gegeben. Die Übung bestand darin, den Ball 30mal zueinander zu pritschen, ohne Bodenkontakt. Wenn es zu Bodenkontakt kam, musste die Gruppe von vorne beginnen. Die Kinder und Jugendlichen gingen mit Energie dazu über, die Aufgabe gemeinschaftlich zu lösen. Die Stimmung lockerte sich, besonders durch den Kontrollverlust des Balls, welcher quer durch den Raum flog und Einrichtungsgegenstände traf. Einzelne Teilnehmer*innen formulierten ein höheres Ziel, um die 40er Marke zu knacken, was nach ca. 15 Minuten gelang und begeistert von allen gefeiert wurde. Einzelne stiegen auf Grund des Tempos und der körperlichen Expression des Spieles aus. Andere hingegen konnten sich und ihr Können im Umgang mit dem Ball vor der Gruppe präsentieren und gewannen an Sicherheit.

Es folgte das Spiel, „kotzendes Känguru“. Dafür bildete sich zunächst ein Kreis. Eine Person trat in die Mitte und zeigte auf eine andere im Außenkreis und gab eines der folgenden Kommandos: „Toaster“, „kotzendes Känguru“, „Palme“, „Elefant“ usw.. Die Person in der Mitte und die links und rechts zur ihrer Seite Stehenden, reagierten auf die Ansage und brachten das Kommando zur Darstellung. Wer nicht oder falsch reagierte, trat in die Mitte. Die Gruppe zeigte Interesse an der Darstellung der Kommandos. Die Übung führte zu viel Gelächter. Die Teilnehmer*innen entspannten ihre Körper und verfolgten aufmerksam die Person in der Mitte. Dabei trauten sich alle ins Zentrum des Kreises zu treten. In dieser Übung konnten sich die Teilnehmer*innen im Spiel begegnen. Alle waren beteiligt und fassten allmählich Vertrauen in ihre Darstellung. Dies wurde vor Allem durch die schnellen Wechsel und das hohe Tempo der Übung unterstützt.

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Der thematische Einstieg erfolgte über Assoziationen zum Titel des Theaterstücks „Leider deutsch“. Jede Person bekam einen Zettel. Worauf ein Gedanke aufgeschrieben und anschließend eingesammelt und in die Mitte des Raumes gelegt wurde. Dabei blieben die Autor*innen anonym, sodass die Ergebnisse zur Diskussion gestellt werden konnten.

Unser Konzept für die Erarbeitung der künstlerischen Aktion zu „Leider deutsch“ war, dass wir die zittys möglichst eigenständig an das Stück und das zu wählende Thema der Aktion heranführen wollten.

(Hanna Wangler, Vermittlerin)

In den Ergebnissen zeigte sich ein breites Bild auf die Thematik. In der Diskussion äußerten sich vor allem die Jugendlichen. Sie berichteten von bereits gemachten Erfahrungen und reflektierten ihre gefundenen Themen im Austausch mit den Gleichaltrigen und den Erwachsenen.

Eine zweite Runde folgte. Eine der Vermittler*innen beschrieb den Inhalt des Theaterstückes in kurzer Form. Danach assoziierten die Teilnehmer*innen ein zweites Mal. Wiederholt wurden die Gedanken auf Zettel geschrieben und wie in der Runde zuvor, in die Mitte des Raumes gelegt. Anschließend folgte eine Diskussion. Im Gespräch kristallisierten sich drei Themen heraus, welche als Ausgangspunkt der gemeinsamen Arbeit dienen sollten.

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Auch hier spielten sich die Themen der Jugendlichen ein. Die Jüngeren zeigten sich aufmerksam und verfolgten die Diskussion mit Spannung.

Dann wurde eine Entscheidung über die Form der künstlerischen Intervention getroffen. Hierfür hatten die Vermittler*innen 4 Kategorien (Foto/ Video/ Hörspiel/basteln und werken) auf Zetteln vorbereitet und verteilten diese in den Ecken des Raumes.

Die Teilnehmer*innen erhielten den Auftrag ihre Wahl zu treffen und sich auf einen der Zettel zu stellen. Im Raum zeigte sich eine Mehrheit auf den Kategorien Hörspiel und Foto. Anders als bei der inhaltlichen Themenfindung vermischten sich die Altersgruppen in Bezug auf die Auswahl der ästhetischen Mittel sofort.

Mit der Aussicht auf die nächste Vermittlung trafen sich alle in einem Stuhlkreis wieder. Das Treffen würde direkt am Spielort der künstlerischen Intervention, dem Foyer im tanzhaus nrw, stattfinden. Anschließend verabschiedeten sich alle voneinander.

Kommentar:

Nach dem Workshop waren die beteiligten Vermittler*innen zunächst verunsichert und fühlten sich u.a. mit der Altersstruktur der Gruppe überfordert.

Wir merkten schnell, dass mehr Bewegung, mehr Spiel und mehr Spontanität in unsere Einheiten müssten, um die Jugendlichen und Kinder im Projekt zu halten.

(Hanna Wangler, Vermittlerin)

Zusammen wurde überlegt, wie sich diese Situation am besten regeln ließe. Der Großteil der Jugendlichen befand sich zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig im Vermittlungsprojekt: Alles Palette. Die Vermittler*innen suchten das Gespräch mit allen Beteiligten. Der anwesende Buddy (Sozialarbeiter)  erklärte sich bereit, in dieser Situation zu vermitteln und ermutigte das Team Ruhe zu bewahren und mit den Kindern und Jugendlichen ins Gespräch zu gehen. Mit dieser Aussicht trennte sich das Vermittlungsteam und zog sich für die Planung des nächsten Workshops und ein internes Feedback zurück.

Hier geht´s weiter zu Tag 2

 

 

Sarah Kramer
Sarah Kramer arbeitet Theaterpädagogin am THEATER AN DER PARKAUE und lebt in Berlin. Ihr Studium absolvierte sie am Institut für Theaterpädagogik (HS Osnabrück). Sarah leitet Theatergruppen und Projekte für Jugendliche, Kinder und Erwachsene.

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