Tanz und Soziokultur (Aktionisten*pro) – Teil 2

– Einander begegnen –

Die praktische Arbeit mit Fabian Chyle beginnt in einem Kreis. Die 20 Teilnehmer*innen stehen sich gegenüber. Ich blicke in unterschiedliche Gesichter und auf verschiedene Körper. „Ein Raum voller fremder Menschen“, denke ich. Nacheinander treten die Teilnehmer*innen in die Mitte des Raumes, nennen ihren Namen und zeigen auf eine andere Person im Kreis. Ich trete in die Mitte: „Ich bin Sarah und ich bin neu in Düsseldorf.“ Es fühlt sich komisch an, meinen Namen laut auszusprechen und mir ist das Ganze ein wenig peinlich. Nach und nach bekommen die Gesichter einen Namen. Aufmerksam verfolge ich jede Person in ihrer Art und Weise, sich zu äußern. Danach geht es weiter mit einen Raumlauf. Alle sind konzentriert und ich genieße die Größe der Gruppe, in der ich für einen kurzen Moment verschwinden kann. An mir streifen die Gesichter vorbei und ohne dass ich mich anstrengen muss, finden kurze Interaktionen statt. Ich merke, wie in mir der Wunsch aufkommt, ein Teil dieser Gruppe zu sein.

Ich entscheide mich dagegen und setzte mich an den Rand. Mit diesem Abstand verfolge ich die Situation. Immer wieder fallen mir kurze Interaktionen zwischen den Teilnehmer*innen auf – hier ein Lächeln, dort ein kurzes Grimassenschneiden. Ich nehme die Gruppe als „bewegte Masse“ wahr und kann die einzelnen Jugendlichen erst auf den zweiten Blick ausmachen. Immer wieder kommen alle zum Stehen und einzelne treten aus der Gruppe heraus und übernehmen die Führung mit vorher festgelegten Kommandos (Stopp, Go, Jump, Clap). Ich muss an die Aussage einer der Dozenten*innen aus meinem Studium denken: „Es gibt in diesem Sinne keine, leichten‘ Übungen. Es kommt auf den Kontext der Übung an und darauf, wie du den Fokus setzt. Du weißt nicht, welche Erfahrungen die Menschen, mit denen du arbeitest, gemacht haben. Selbst die in deiner Erfahrung einfachste Übung kann für andere Menschen eine Überwindung bedeuten. Du musst ganz genau beobachten, was im Raum passiert und was in der Begegnung entsteht. Dafür musst du wach sein.“

Die Großgruppe teilt sich unter der Anleitung von Fabian in vier kleine Gruppen auf. Die nächste Übung findet in Zeitlupe statt. Mit Großen Gesten imitieren die Teilnehmer*innen einen Kampf.

Es folgen drei Bilder in Bewegung zu unterschiedlichen Themen (Mut, Ausgrenzung, Behinderung), welche die Gruppe bei ihrem ersten Treffen erarbeitet hat. Hier spielt sich der Aspekt der Mehrsprachigkeit der Gruppe ein, indem die einzelnen Begriffe laut in den unterschiedlichen Sprachen genannt und für die Performance inszeniert werden.

Die Bilder werden in eine choreographierte Handlung gebracht und verfeinert. Am Rand des Raumes liegen Blätter, auf denen die folgenden Worte stehen: ICH – DU – BIST – ANDERS. Wie sich diese Worte in die Performance der Gruppe einbinden, möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten. Mehrmals wiederholt die Gruppe die Abläufe und die einzelnen Teilnehmer*innen gewinnen an Sicherheit und Präsenz. Mit der Aussicht auf ihr nächstes Treffen direkt am Auftrittsort verabschieden sich alle. Die Stimmung ist locker und die Gruppe scheint ein Stück näher zusammengerückt zu sein.

„Wie schnell aus Fremdem Bekanntes wird“, denke ich.

Sarah Kramer
Sarah Kramer arbeitet Theaterpädagogin am THEATER AN DER PARKAUE und lebt in Berlin. Ihr Studium absolvierte sie am Institut für Theaterpädagogik (HS Osnabrück). Sarah leitet Theatergruppen und Projekte für Jugendliche, Kinder und Erwachsene.

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