Julia Dina Heße* über Oopicassoo (Pat*innen sind die Aktionisten der JFE St. Matthäus)

Mit welchen Problematiken und Themenfeldern beschäftigt ihr euch innerhalb des Stücks? Mit welchen Themen habt ihr euch in der Vorbereitung beschäftigt?

Picasso ist als Künstler, wie als Mensch, ein schier unerschöpflicher Schatz an Formen, Bildern und Gedanken, die für uns bei der Arbeit inspirierend waren. Er hat immer nach neuen Wegen gesucht, um sich auszudrücken und sich nie mit dem Erreichten zufrieden gegeben. Er hat sich auch nicht von gängigen Begriffen der „richtigen“ Darstellung einschüchtern oder begrenzen lassen. Das hat mir sehr gefallen. Denn bei unserer Produktion geht es ja auch nicht darum etwas „richtig“ zu malen, sondern den Kindern einen Eindruck von der Lust am kreativen Umgang mit Farben und Formen zu vermitteln und ihnen Mut zu machen, die Welt mit ihren eigenen Augen zu sehen. Für die Bühne eignet sich Picasso außerdem, weil er so vielfältig war in seinen Ausdrucksformen und sich nicht auf eine Technik beschränkt hat. Das hat uns viel Spielraum für den Umgang mit Material gegeben. Aber sicherlich könnte man sich auch einen anderen bildenden Künstler für ein solches Projekt zum Vorbild nehmen. Entscheidend sind Ideen, wie man den Sprung von der bildenden zur darstellenden Kunst anstellen möchte.

Für die Stückentwicklung hatten wir uns vorgenommen mit allen Sinnen zu malen. So entdecken die jüngsten Zuschauer zusammen mit den Spielern das Reich der Farben und Formen nicht nur mit den Augen, sondern mit allen Sinnen. Um dies zu ermöglichen, fragten wir uns während der Proben, ob und wie man die Farbe Rot zum klingen bringen kann, ob ein „i“ eher grün oder gelb ist und ob sich das Malen eines Dreiecks auch mit Tönen und Rhythmen in Verbindung bringen lässt. Die Inszenierung zeigt die Freude am schöpferischen Akt des Malens und der Wahrnehmung aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei teilen die beiden Schauspieler den Spaß beim Experimentieren mit Farbe – sie zu vermischen, mit ihr zu schmieren und zu klecksen mit ihrem ganz jungen Publikum.

Das Picasso-Museum hat uns durch die Mitarbeit ihrer Museumspädagogin Britta Laura unterstützt. Mit ihr habe ich mich schon Anfang der Spielzeit 2013/14 getroffen und ihr von meinen Ideen erzählt. Sie hat mich dann mit Büchern, Texten und Bildern zu den einzelnen Themen rund um Picasso versorgt, hat den Spielern und mir verschiedene Führungen durch Ausstellungen gegeben. In der ersten Probenwoche haben wir noch einen gemeinsamen Workshop zu verschiedenen Maltechniken erhalten. Wir spielen das Stück sowohl bei uns im Theater als auch im Werkstattraum des Museums.

Wie habt ihr euer Stück entwickelt? Welche Methoden wendet ihr an, um euch an den Stoff heran zu tasten?

Das Stück haben die Spieler und ich in den Proben gemeinsam entwickelt. Es basiert auf Improvisationen auf der Grundlage von Werken und Anekdoten, sowie Zitaten und Fotos von Picasso, die ich im Vorfeld ausgesucht habe und zu denen ich bestimmte Fragen oder Ideen formuliert habe als Ausgangspunkt für die Spieler. Ich habe durch die gute Zusammenarbeit mit Britta Lauro vom Picasso-Museum viele verschiedene und spannende Einblicke in Arbeit und Werk des Künstlers erhalten, durch die ich Anlässe und Ideen für kleine Szenen und Spiele geschöpft habe. So ist gemeinsam mit dem Musiker Jonas Nondorf aus den vielen Einfällen auf dem Papier und spontanen Improvisationen auf der Bühne ein Stück gewachsen, das nun einen festen Inhalt und Ablauf hat. Es hat aber keine Handlung im klassischen Sinne und es kommt mit sehr wenig Sprache aus. Es geht vor allem um künstlerische und kreative Vorgänge auf der Bühne, eine Mischung aus Spielen, Singen und Malen.

Die Zusammenarbeit mit zwei KiTas war eine große Bereicherung für uns, weil wir schon vor dem eigentlichen Probenbeginn in den Kindergärten mit den Kindern malen und kleine Spielvorgänge erproben konnten. So hatte ich beim Start der Probenzeit schon ein Gefühl dafür, worauf man beim Malen auf der Bühne achten muss, welche Vorgänge besser funktionieren und welche Mischung von Malen und Spielen gut zusammengeht für die Kinder. Die Kinder haben auch eine Probe hier im Theater besucht und waren die ganze Zeit über absolut ruhig und fasziniert. Die Erzieherinnen berichten uns auch nach ihren Besuchen oft, was die Kinder später noch gefragt und erzählt haben. Es ist verblüffend, wie genau sie alles beobachten.

Was würdet ihr als wichtigste, aussage kräftigste Situation oder Begebenheit nennen, die den Inhalt eurer Produktion am Besten beschreibt?

Der Maler Pablo Picasso war für die Arbeit eine großartige Inspirationsquelle. Er selbst hat einmal gesagt: „Der Gang eines Gedanken interessiert mich mehr als der Gedanke selbst.“ In diesem Sinne macht das Stück den Vorgang des Malens zu seinem Mittelpunkt und lässt verschiedene Bilder vor den Augen der Zuschauer entstehen – manche auf Papier, manche auf Plastikscheiben und manche in der Fantasie.

Was berührt euch am meisten?

Der magische Anfang, bei dem ein Bild nur mit Musik „gezaubert“ wird. Und dann, wenn die Spielerin ihr gemaltes „Kind“ streichelt, bevor sie es „ins Bett“ bringt. Und wenn die kleinen Zuschauer während des Zuschauens immer näher an die Spielfläche heran robben, um alles genau zu beobachten. – Betreten tun sie diese allerdings nie.

Was ist eurer Wunsch an eure Zuschauer*innen?

Dass sie – egal welches Alter sie haben – durch das Stück ermutigt werden, mit ihrem eigenen Blick auf die Welt zu schauen.

*Julia Dina Heße ist die Leiterin des Jungen Theater Münster und führte bei Oopicassoo die Regie. 

Sarah Kramer
Sarah Kramer arbeitet Theaterpädagogin am THEATER AN DER PARKAUE und lebt in Berlin. Ihr Studium absolvierte sie am Institut für Theaterpädagogik (HS Osnabrück). Sarah leitet Theatergruppen und Projekte für Jugendliche, Kinder und Erwachsene.

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