Manipulation in der Ritterstraße (Aktionisten) – Teil 2

Die Trilogie: Zweifel

Mittlerweile ist es in der Ritterstraße spät geworden. Ich befinde mich wieder in meinem Schaukelstuhl, gut genährt und relativ entspannt. Die Sofaecke hat sich gefüllt. Meine Kolleginnen sind da und drei Teilnehmer*innen. Gemeinsam schauen wir den Trailer vom „Zentrum für politische Schönheit“, in welchem sie zu der Aktion aufrufen, die europäischen Außengrenzen aufzuknacken.

Teilnehmer*in: „Das ist die reine Manipulation der Medien. Das ist keine echte Aktion. Ich will was machen, nicht nur reden. Ich will mal hören, was da wirklich abgelaufen ist.“

Ich: „Zwei Freunde von mir sind mitgefahren. Die sind halt nur bis kurz vor die Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei gekommen, da wurden sie dann gestoppt. Die beiden haben vor allem von der Busfahrt erzählt und dass die Leute, die im Bus saßen, mit unterschiedlichen Erwartungen mitgefahren sind. Vom „Zentrum“ gab´s aber keine Informationen, weit und breit keine Spur von den Typen. Die beiden haben auch gesagt, dass sie sich manipuliert gefühlt haben.“

Meine Kollegin erzählt, dass es in den Stücken (Stones/Wilhelm Tell), mit denen wir uns beschäftigen, um Manipulation der unterschiedlichsten Art und Weisen geht. Zum Einen um die Manipulation zwischen zwei Menschen, zum Andern um die Manipulation im Sinne der Instrumentalisierung einer Person für politische Zwecke. Somit ist die Brücke zum Inhalt gebaut. Wir brainstormen gemeinsam: Was ist überhaupt Manipulation? Wann wurde ich manipuliert? Manipuliere ich andere? Manipuliere ich mich selbst?

Erste Ideen für die Festivalpräsentation kommen auf. Wir manipulieren die Zuschauer*innen. Durch Texte, Material, Musik und falsche Hinweise schaffen wir einen Raum, der irritiert.

Im Anschluss an unsere erste Ideensammlung sprechen wir über persönliche Erfahrungen, in denen wir andere manipuliert haben oder wir feststellen mussten, dass wir manipuliert worden sind. In mir steigen Zweifel auf. Vielleicht hätte ich mich besser heraushalten und einfach ehrlich sagen sollen, dass ich hier bin, um die Dokumentation zu machen und nicht teilnehme. Vielleicht ist das auch eine Art der Manipulation. Dabei wollte ich doch nur das „Beste“ für die Situation. Dieses Format soll auf keinen Fall eine Instrumentalisierung der Teilnehmer*innen für meine eigenen Zwecke darstellen. Diese Informationen sind zu privat, um darüber zu schreiben. Plötzlich kommt mir mein eigenes Projekt abgehoben vor. Anhand von mir festgelegten Kriterien möchte ich darüber urteilen ob die Teilnehmer*innen Partizipation im Prozess erfahren? Wie soll ich das beurteilen? Worum geht’s hier eigentlich wirklich? Vielleicht bin ich selbst manipuliert und steige einer politischen Floskel nach, die ich für mich selbst nicht zu definieren weiß? Ich denke nach… Im Grunde bin ich an Begegnung und Austausch interessiert und alles andere ist doch erst einmal egal.

Ich schiebe meinem Zweifel einen Riegel vor und sage mir, dass ich mich gerade genau darauf einlasse.

Hier geht’s weiter zu Teil 3

Sarah Kramer
Sarah Kramer arbeitet Theaterpädagogin am THEATER AN DER PARKAUE und lebt in Berlin. Ihr Studium absolvierte sie am Institut für Theaterpädagogik (HS Osnabrück). Sarah leitet Theatergruppen und Projekte für Jugendliche, Kinder und Erwachsene.

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