Alles springt, tanzt, klebt, kaut, steht, fällt, fliegt, platzt, knirscht und kracht – Text zu „Leerkopf“ (tuning people & kinderenvandevilla)

Meistens kommt ja alles ganz anders, als man denkt.

Und ich, ich dachte auch.

Ich dachte, dass ich, nachdem ich vor einiger Zeit endlich aus diesem lauten und überfüllten Gartencenter mitgenommen wurde, nun sicherlich in eine schöne, saubere und ruhige Wohnung gestellt werden würde, wo ich ein ganz gemütliches Leben führen könnte, so wie es die meisten meiner Art tun. Doch der Ort, an den man mich dann brachte, war nicht im entferntesten so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Von wegen ruhig und leise! Jeden Tag, wenn er nach Hause kommt, nimmt mein Mensch nahezu die ganze Wohnung auseinander und steckt sie völlig kreuz und quer wieder zusammen. Wobei, er nimmt sie nicht einfach nur auseinander, er isst sie förmlich auf, bei lebendigem Leibe auf! Da gibt es Kämpfe auf Leben und Tod mit dem Mülleimer, Dinge erheben sich wie von Zauberhand in die Luft, Flöten spielen plötzlich von alleine und – Moment, war das da gerade eine Qualle? Naja, ist ja auch egal. Wo war ich? …Genau! Dann fliegt buntes Zeug durch die Luft, Musik ertönt, auf die quietschend geantwortet wird, zu einem spontanen Sprachkurs gesellen sich Dartpfeile, man verbrennt sich die Finger und alles springt, tanzt, klebt, kaut, steht, fällt, fliegt, platzt, knirscht und kracht – während er darauf wartet, dass sein Abendessen, meistens ein wundersames sich-selbst-backendes Etwas aus der Tüte, fertig wird.

Gesichter werden sich selbst wie ein Fluch auferlegt, wieder abgerissen und in die Ecke geworfen, Menschen verschwinden fast in überdimensional großen Ballons, sodass man Angst hat, sie würden noch ersticken, Ohrlöcher werden gestochen und Haare ausgerissen und wieder an den Kopf gebracht. Dabei fällt täglich alles aus allen Regalen und Kisten und man kann von Glück reden, wenn man nicht ausrutscht. Aber das Problem habe ich ja zum Glück nicht und kann das Spektakel aus sicherer Entfernung beobachten.

Nun könnte man meinen, das alles wäre schon verrückt genug, doch das verrückteste ist eigentlich, dass mein Mensch einfach nicht versteht, dass ich nun einmal Stacheln habe. Mehrmals am Tag sicht er sich an mir und lernt einfach nicht daraus. Wahrhaftig, absolut verrückt!

…Aber wenn ich es mir recht überlege, dann schaue ich mir dieses alltägliche kreative Chaos doch wirklich gerne an, und falle nicht selten vor Lachen oder Entsetzen oder entsetztem Lachen fast von meinem Regalbrett. Eigentlich ist er ganz schön einfallsreich, mein Mensch.

Auf was für geniale Ideen und Konstruktionen er immer wieder kommt. Langweilig wird es einem dabei nicht! Doch, ich glaube ich bin sehr froh, hier gelandet zu sein! Dieser Mensch ist ein Genie.

Aufräumen würde ich dieses ganze Durcheinander allerdings nicht wollen, so schön es auch aussieht. Zum Glück fragt er mich aber auch nicht, ob ich ihm helfen kann – ich bin ja schließlich nur ein Kaktus.

– Finn Cam

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